Führt nicht jeder Camper, gefragt nach seiner Motivation für dieses Hobby, ein Gefühl von Freiheit ins Feld? Die Möglichkeit selbst zu bestimmen und sich individuell zu entfalten? Tatsächlich stehen gefühlte 99% der Wohnwagen und Wohnmobile dicht gedrängt auf Camping- oder Stellplätzen; zumindest in der Hauptsaison. Hier wiederholt sich das, was einem daheim vom Nachbarn bereits geboten wird: es werden Zäune gezogen, Teppiche ausgerollt, Terrassenmöbel und Deko aufgestellt, der Grill wird unterm Vordach (Markise) angeheizt und das Radio dudelt den ganzen Tag als permanenter Klangteppich im Hintergrund. Dazu wird lautstark heiterer Klatsch und Tratsch ausgetauscht. Und obwohl dieses Szenario sich nicht allzu sehr davon unterscheidet, was im Garten/auf dem Balkon des Nachbarn oder auf der Wiese im Hinterhof des Mietshauses passiert, so werden befragte Camper dennoch argumentieren, dass sie sich freier fühlen.
Wie kommt das?
Warum macht es einen Unterschied, ob sie zu Hause mit Freunden grillen oder sich mit eben jenen Freunden auf einem Stellplatz treffen, um dort zu grillen? Angesichts vieler, durchaus phantasielos angelegter Stellplätze, kann das Hauptargument nicht die schönere Aussicht oder Natur sein. Angesicht der fleißigen Anstrengungen, den eigenen Garten und Balkon in kleine Pflanzen- und Dekorations-Paradiese zu verwandeln, muss es einen anderen Ursprung geben. Vielleicht geht es darum, in der Fremde „seinen Claim“ abzustecken. Etwas Neues zu erobern, in Besitz zu nehmen und seine eigene Flagge zu hissen. Deswegen wird das eigene Häuschen mitgebracht, die eigenen Leute und die Lebensgrundlage. Eine Eingliederung in das, was am neuen Ort vorgefunden wird, eine unauffällige Verschmelzung mit den Gegebenheiten, ein bloßes Aufsammeln von Eindrücken und eine vorübergehende Partizipation ohne eigene Einwirkung liegt augenscheinlich nicht in unserer Natur.
Und erstaunlicher Weise streben selbst jene, denen das Fehlen von äußerer Struktur, sei es in Form einer immobilen Behausung, eines Tagesprogramms oder einer Reiseroute Unbehagen bereitet, diesem Hobby zu. Aufgerüstet mit dem technisch Möglichen in Sachen Einbruchschutz, Platzangebot und Haushaltsgeräten wird sich, dem gut gefütterten Navigationsgerät folgend, hinaus in das unbekannte Land gewagt. Allein das Antreffen Gleichgesinnter, einer durch Schilder untermauerten Legalität und Legitimation des Daseins und ein Ansatz von Infrastruktur erfüllt mit Erleichterung und einem Gefühl von Geborgenheit. Jedoch wird der Rest von Unsicherheit nur dann kleiner, wenn sich das Individuum einer Gruppe anschließt. Gemeinsam sind wir stark, zwei irren weniger als einer, die Wagenburg ist ein sicherer Schutz vor den Wilden….
Für viele sieht der Einstieg in das wohnmobile Leben so aus und für einige wird es auch immer so bleiben.
Und so kommt es, dass ein einzelnes Wohnmobil auf einem traumhaft geraden Parkplatz mit atemberaubender Aussicht und viel Platz ….
am Endes des Tages einen Nachbarn in nur 1 Meter Entfernung neben sich parken hat.
Die Sicherheit der Gruppe, der Drang, der anweisenden Beschilderung zu folgen und die Erwartung, „gleichgesinnt“ zu sein läßt vielfach keine andere Entscheidung zu. Und der Individualist, der sich von den täglichen Grenzen des gesellschaftlichen Lebens wenigstens für einen Moment befreien will? Er muss lernen, sich nicht zu ärgern, die Zusammenhänge zu erkennen, mit sanfter Entschlossenheit seinen individuellen Parkbereich zu verteidigen – oder gelassen selbst für ein Stückchen Freiheit abzurücken.
Ein abgewandeltes Zitat aus dem Film „Dirty Dancing“ taugt da zur Camping-Maxime:
„Das ist mein Parkbereich – und das ist Deiner!“ :-) :-)
Wie ist das für Euch? Ab wann wird’s bei Euch zum unangenehmen „Kuschelcamping“? Mögt ihr es lieber nah zusammen oder liebt ihr, so wie wir das FREIE Stehen und den FREIEN Blick aus jedem Womofenster? Kommentare sind erwünscht.
Hallo Volker,
bin über 70 Jahre alt , habe als Kind mit den Eltern gezeltet. Dann ab ca. dem 30. Lebensjahr 4 VW Bullis ohne technischen Schnickschnack ( Fernseher, Mikrowelle usw., usw.) gefahren und aktuell einen kleinen Knaus als Wohnmobil.
1. Die große Freiheit gibt es nicht „mehr“
2. Habe das Wohnmobil als Erstfahrzeug im Ganzjahresbetrieb
3. Habe alle „Unmöglichkeiten“ auf den Stellplätzen gesehen
4. Die Aussichten werden tendenziell negativer “ in allen Bereichen“
Mein Fazit :
Wenn ich nicht mehr 90 % frei stehen kann – wird das Wohnmobil verkauft. Soviel zum Thema Wohnmobilkuscheln und Stellplätze.
Beste Grüße aus Olfen – neben Noki
Reiner
Pingback: Peine, Braunschweig, Gehrden – kein Weg zu weit beim Weihnachtsmarkt Check | UMIWO – unterwegs mit dem wohnmobil
Du schreibst mir so aus der Seele. Ich bin ca. 320 Tage im Jahr mit Wohnmobil in ganz Europa unterwegs. Stehe grundsätzlich alleine frei. Wenn da nicht diese Kuschelcamper währen. Aktuell stehe ich im Expopark in Hannover. Als ich hier am Freitag angekommen bin, habe ich mich schön auf einer großen Wiese abseits aller Gebäude hingestellt und den Smart abgeladen um die Umgebung zu erkunden. Als ich nach ca. 4 Stunden zurück zum Wohnmobil kam, standen 4 Kuschelcamper um mein Wohnmobil herum. Als ich dann abends meinen Generator startete, gab es Beschwerden über den Lärm.
Vielleicht kann hier ja jemand dieses Phänomen erklären.
Gruß
Rainer
So eine Art von Rudelverhalten. Lebe ja in Hannover. War ja am Freitag grosses Festival. Daher dort wohl die Womos.
Hallo Rainer, wo hast Du dort denn genau gestanden? VG Volker
Sydney Garden-Chicago Lane dort auf der Wiese.
Im Prinzip ist es mir egal, denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass fast alle Camper dieser Spezies nach dem Motor ausschalten, die Rollos runter lassen und dann nicht mehr gesehen werden.
Ich hatte dieses Thema auch erst vor einigen Tagen.Wer mag kann gerne nachlesen, ich hoffe der Link ist hier erlaubt?
http://www.lebenimwohnmobil.eu/2015/05/18/womokuscheln/
Du hast die Problematik und die Hintergründe gut erkannt und beschrieben und auch einen guten Lösungsvorschlag gemacht (die nötige Freundlichkeit und Gelassenheit aufzubringen ist allerdings oft eine Herausforderung!).
Wenn man die Bedingungen auf (spanischen) Stellplätzen wie auf obigem Foto verstehen will, muss man sich darüber klar werden, dass diese Menschen, die ja freiwillig so stehen, nichts schöner finden, als mit „gleichgesinnten“ alten oder neuen Freunden ALLES DEN GANZEN TAG zusammen zu machen. Das liegt ganz oft daran, dass man nach langjähriger Partnerschaft/Ehe nicht wirklich viel mehr miteinander anzufangen weiß, mit sich selbst und mit soviel freier Zeit nach dem Arbeitsleben aber auch nicht. Da ist es angenehm und einfach, gemeinsam Kaffeeklatsch, Rollertouren in die Berge, Essgelage beim Billigchinesen zu veranstalten, mit ganz viel Spaß. Gerne auch unter Verwendung von Alkohol, damit man danach gut schlafen kann (mittags und nachts).
Entweder man ist auch so, dann mag man es oder man ist anders, dann ist das Folter.
Freistehen ist eine Frage des Landes, in dem man sich aufhält (Gesetze, Sicherheit), des Wohnmobils (Größe, Autarkie) und der eigenen Unerschrockenheit/Risikobereitschaft. Je nachdem muss man mit Kompromissen leben.
Danke ihr beiden für das interessante Feedback. Die von Euch erläuterte „Motivation zur Geselligkeit“ nach einem langen Arbeitsleben ist uns gerade eine wertvolle Erkenntnis. Macht total Sinn! :)
Und die dann vom Allohohl betäubt, nachts geschlafen und morgens mit gaaaanz dollen Kopfschmerzen aufwachen und ihre Geldbörse nicht finden, die ihnen gestern abend beim Pinkeln in der Kneipe unbemerkt ins Klo gefallen ist, sind dann die, welche die Polizei rufen, weil sie im WoMo nachts einem Gasüberfall ausgesetzt waren. ;-)
Gruß Holger
Warum kann nan hier nicht liken ohne WordPress login? Fuer mich ist das kein Problem da ich einen wp Account habe doch jeder andere wird abgeschreckt?!
Ich arbeite dran. Bis dahin einfach im Kommentarfeld ein „Like“ schreiben. :) Hast Du nen Tipp?
Auf Eire Frage gibt es doch nur eine Antwort. Und die kennt Ihr doch.
Es ist eigentlich garnicht so sehr die Frage des Wollens, sondern des Könnens. Es gibt sicher mutige Kawa-Fahrer, die jeden Platz, der ihnen gefällt, auch zum Bleiben über Nacht nutzen. Und andere, die sich erst herantasten und mit dem Wert gemachter Erfahrungen mutiger werden (oder skeptischer, kommt darauf an). Manchmal sind abendliche Annäherungen vielleicht nur der Reflex, sich im Dunkeln nicht zu fürchten oder eine Art von Legalität zu erzeugen. Der Drang zum Kuscheln kann genauso zwanghaft werden, wie das Verlangen, Abstand zu haben.
Wirkliche Freiheit wäre wünschenswert, aber es gibt wohl genug, die durch Krach, Vereinnahmung, Ausscheidungen (fest und flüssig) den Ruf verderben. Reglementierungen (Teppichstangen) sind die Folge. Und dann ist man auf einem Stellplatz froh über jeden, der rücksichtsvoll genug war, so zu parken, dass es für viele reicht.
Also das bedeutet: Nur weil sich eine Gruppe von Leuten daneben benehmen, wird das Campen so reglementiert, dass nun nicht mehr genug Platz für alle da ist und deshalb ist es legitim, weil nicht anders machbar, anderen auf die Pelle zu rücken?
Schön wäre natürlich, es gäbe für alle Bedürfnis-Formen die jeweilige Möglichkeit und eigentlich gibt es die ja auch oft. Aber wo Kompromisse benötigt werden, sollten alle versuchen, sie zu finden.
Das trifft es einigermassen. Mit „Legitimität“ hat das allerdings wenig zu tun.
Nach über 25 Jahren mit dem Bulli, immer auf der Suche nach dem ultimativen einsamen Stelltplatz ist das einfach die nüchterne Bilanz.
Wohnmobilfahren hat heute wenig mit „Camping“ zu tun. Die meisten Wohnmobilfahrer wollen, wie oben geschrieben, möglichst ihren alltäglich Luxus mitnehmen um ihn unterwegs immer neuen „Gleichgesinnten“ präsentieren und sich danach in die eigenen rollogeschützten GFK-Wände zurückziehen zu können. Dadurch dass dieses heute ein Massenphänomen geworden ist, wird europaweit immer mehr reglementiert und finden sich immer weniger Möglichkeiten seinen Individualismus auszuleben.
Was vor 20 Jahren noch problemlos möglich war ist heute oftmals nicht mehr möglich. Wer nach Jahren an bekannte Plätze zurückkehrt wird dies immer wieder feststellen. Eine Umkehr des Prozesses erscheint undenkbar.
Die Konsequenz für uns: Mittlerweile bleibt der Bulli öfter stehen und wir ziehen mit dem Landrover und dem Dachzelt dahin, wo die verspoilerte „Weißware“ nicht hinkommt….
Hallo Ihr Zwei!
Und wieder frage ich mich: Belauscht Ihr uns heimlich?
“Das ist mein Parkbereich – und das ist Deiner!” – das zitieren wir öfter ;-)
Liebe Grüsse!
Seelenverwandte Camper! ;)
A-Zyklisch reisen wenn irgendwie möglich. Den Mai mit seinen schönen Feiertagen verbringen wir zu Hause im Garten, anstatt im Stau und auf rappelvollen Plätzen. Urlaub machen wir außerhalb der Ferien und wenn wir doch mal ein paar Tage in den Ferien fahren, dann zu Orten die eher untypisch für die Hauptsaison sind, d.h. kein Wasser in der Nähe haben :-)
Wir gehören nicht zu den Individualisten die eine Kriese bekommen wenn sie noch andere Camper um sich haben, aber Kuschelcamping kommt nicht in Frage.
Ich habe das Erlebnis „Kuschelparker“ zwar noch vor mir aber sammle seit einigen Jahren doch immer wieder ruhige Alternativen / Orte auf meinen Wanderungen, an denen man ruhig und frei Stehen könnte ;-) Der frühe Vogel halt …. :-D
Wenn ich jedoch einen solch „kuscheligen“ Platz (Foto Denia) antreffen würde, würde ich ganz schnell wieder das Weite suchen :-D
Viele Grüße, Klaus