Der Markt muss sich stets neu erfinden, neue Kaufanreize schaffen und lauter sein als der Mitbewerber. So hat sich Knaus mit dem Kastenwagen „Saint & Sinner“ auf Fiat Ducato zur CMT 2017 in Stuttgart was „ganz besonderes“ ausgedacht und präsentiert den Wagen als „Weltpremiere“. Und das Sahnehäubchen oben drauf ist die Kastenwagenstudie auf Basis des neuen VW Crafter. Wir haben uns Engelchen und Teufelchen mal angeschaut.
Der neue VW Crafter ist in aller Munde. Noch lange vor der offiziellen Markteinführung im März wird die Werbetrommel bereits kräftig gerührt. Neben dem neuen Schwabenmobil Florida Multitalent (wir berichteten) hat sich nun auch Knaus an vorderster Front positioniert, den neuen Kastenwagen von VW zu präsentieren – wenn auch in Form einer Studie. Die bisherige Kooperation von VW mit Mercedes wurde aufgelöst. Zu verlockend ist die gewinnbringende Aussicht den Reisemobilmarkt mit eigenen Basisfahrzeugen zu versorgen. Daher wird der Crafter 2016 nun nicht mehr an zwei Standorten in Deutschland sondern im polnischen Wrzesnia gebaut. Knaus hat sich gleichermaßen für die Fiat- als auch die VW-Fangemeinde ein augenfälliges Show-Pferd ausgedacht und präsentiert Crafter und Ducato im Gewand der Lifestyle Kampagne „Saint & Sinner“.
Die Marketing-Kampagne ist stark emotional ausgelegt. Die Vorstellung des Ducato „Saint & Sinner“ auf der Knaus Webseite strotzt vor anzüglichen Sprüchen und Andeutungen. Die anvisierte Käufergruppe sollte auf jeden Fall Spaß an auffälliger Aufmachung innen wie aussen haben. Die Scheinwerfer des Crafters blitzen alle paar Sekunden kurz auf und erregen somit unweigerlich die Aufmerksamkeit der vorbei flanierenden Besucher.
Von Heiligen und Sündern
Das Thema Heilige und Sünder wurde zum Beispiel von Oscar Wilde in der Komödie „Ein idealer Gatte“ aus dem Jahre 1894 aufgegriffen. Dort heisst es: „Der einzige Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Sünder ist, dass jeder Heilige eine Vergangenheit hat und jeder Sünder eine Zukunft.“ Da das Modell Heilige und Sünder in Personalunion verkörpert, mag man daraus ableiten, dass je nach Tagesform der Fokus zwischen „himmlischem“ Komfort oder „sündhaftem“ Dekostyle wechselt.
Der weibliche Walkingakt á la „Engelchen und Teufelchen auf Stelzen“ wollte unverfroren wissen, welche Seite den Autor mehr anspricht ;-). Die Antwort bleibt geheim….
Zurück zum Thema:
Der Crafter 2016 „Saint & Sinner“ im Fakten-Check
Der Crafter wird bisher nur als Studie präsentiert. Zum momentanen Zeitpunkt ist noch keine Serienproduktion geplant. Das ausgestellte Fahrzeug ist mit 5,99 m Länge die kürzeste Version und verfügt über den mittellangen Radstand mit 3,64 m. Das sind 9 cm mehr als beim alten Crafter und damit ist das Fahrzeug auf das „Ducato-L3-Referenz-Längenmaß“ gewachsen. Allerdings hat der Ducato bei gleicher Länge einen Radstand von 4,03 m. Somit dürfte der Crafter Vorteile beim Rangieren aufweisen. Leider ist die mittellange Variante bereits bei einer Fahrzeuglänge von 6,84 m (Radstand dann 4,49 m) angekommen und schießt damit über den allseits beliebten 6,40 m Ducato (Radstand 4,03 m) hinaus. Viele Kastenwagenfahrer wissen mittlerweile den Grundriss mit Längsbetten zu schätzen. Ebenso übertrifft der Crafter das 2,52 m „Hochdach“ vom Ducato (H2) um 6 cm und misst 2,58 m. Das Superhochdach liegt dann bei 2,80 m (Ducato 2,76 m) und bietet gerade für Doppelbodenausbauten das passende Innenvolumen.
Von außen wirkt der Crafter wie aus einem Guß. Die Ähnlichkeit in der Frontschürze zum neuen Passat ist nicht zu übersehen.
Haben die zweifarbig horizontal abgesetzten Karosserieteile schon immer Generationen von VW-Bus-Fahrern begeistert, wirkt auch der große Bruder des Bullis in rot-weiß recht dynamisch und ist ein Blickfang. Ob diese Farbgebung jedoch beim Einsatz als Reisemobil überzeugt, bezweifeln wir. Zu auffällig ist man damit unterwegs. Möglich allerdings, dass die Auffälligkeit ein Pluspunkt im Kampf gegen die Langfinger im VW-Neuwagenbereich ist. Wir persönlich bevorzugen einen eher unauffälligen Style und versuchen mit dem Columbus Kastenwagen als silber-schwarzem Van mit möglichst vielen Umgebungen zu verschmelzen.
Motor, Lenkung und Sicherheitssysteme
Es wird den Crafter in drei Motorvarianten in der Euro 6 Norm geben: Der Vierzylinder ist mit 102 PS, 140 PS und als Biturbo mit 177 PS verfügbar. Bei einem voll ausgestatteten 3,5 to Fahrzeug kann man den 102 PS Motor sofort vergessen. Mit dem 140 PS Aggregat ist man jedoch gut ausgestattet. Um die Euro 6 Norm zu erhalten, müssen die hochgezüchteten Motoren zusätzlich mit AdBlue gefüttert werden, das in einem separaten 18 Liter Tank vorgehalten wird. Pro 1.000 km soll sich der Verbrauch je nach Last zwischen 1 bis 3 Liter bewegen. Somit muss im Durchschnitt alle 10.000 km nachgetankt werden.
Im Gegensatz zum alten Crafter bewegt sich der VW nun auch per Frontantrieb voran. Es soll in Zukunft parallel weiter der bewährte Heckantrieb angeboten werden. Bei größeren und schwereren Wohnmobilen etwa mit Zwillingsbereifung, ist dies sicherlich keine schlechte Idee, um die Traktion bei schweren Last auf der Heckachse zu erhöhen. Hierbei wird jedoch der Frontmotor längs eingebaut. Aber auch ein Allradantrieb (4Motion) ist geplant. Außerordentlich positiv hat die Fachpresse die neue und präzise elektromechanische Lenkung von Bosch gelobt (CamperVans 1/2017). Sie soll nun im Gegensatz zum Vormodell präzise und direkt Rückmeldung geben und dabei kein bisschen schwammig wirken. Somit sind hinzubuchbare Sicherheits- und Komfortfeatures wie der Spurhalte- und Spurwechselassistent („Lane-Assist“ und „Side-Assist“), der Parklenkassistent („Park-Assist“) und die Anhänger-Einpark-Hilfe („Trailer-Assist“) erst möglich. Diese Systeme greifen zur Unterstützung aktiv in den Lenkvorgang ein. Es gibt sogar einen Flankenschutz, der optisch und akustisch bei kritischen Annäherungen von Pfosten, Mauern oder Fußgängern warnt. Auch das Wanken über die Querachse soll VW in den Griff bekommen haben. Serienmäßig bietet der Crafter einen ESP-basierten Seitenwindassistenten, ein Notbremssystem, die Multikollisionsbremse und die Start-/Stopp-Automatik an.
Der Wohnmobilausbau
Im Innenraum dominiert mattes Rot, Weiß und Schwarz. Die Sitze sind mit Leder bespannt.
Das ist natürlich über alle Massen Geschmackssache. Hier wird bewusst mit Assoziationen im Bereich bestimmter „Etablissements“ oder Fetische gespielt. Aber in Zeiten der Erfolgswelle von „fifty shades of grey“ lässt sich damit vortrefflich in den Massengeschmack einhaken.
Die Fronten des Küchenblocks sind bis auf den Kühlschrank ebenfalls in mattem Rot lackiert. Verschüttete Erinnerungen an die erste eigene Küche aus den 90er Jahren kommen da in den Sinn. Vielleicht ist Retrodesign für Leute in unserem Alter ansprechend und schafft ein Gefühl von Heimat („früher war besser“, weisst du noch…“, „schau mal, alles kommt irgendwann wieder…“). Was uns gefällt sind die weissen Oberflächen der Oberschränke und Seitenwände. Sie machen den Campingbus, ähnlich wie bei unserem Westfalia Columbus, leicht und luftig.
Der 6-Meter-Bus ist mit einem Raumbad plus Duschtasse ausgestattet. Die zwei gewölbten Duschabtrennungen bleiben dem lasziven Themeneinschlag treu und bieten als tägliche kleine Showeinlage nicht nur das Spiel mit Seife und Wasser dar, sondern auch das Studium von Körperhaltung und Gesichtsmimik bei Stuhl- und Harndrang. Hier ist das Spiel mit dem Fetischaspekt wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen.
Im Heck ist ein 1,44 m breites Querbett verbaut, mit Lattenrost und mehreren Matratzenteilen. Da die Karosserie von vorn nach hinten „fischbauch-artig“ schmaler wird, muss das Liegemaß des Betts, wie auch schon bei dem Vorgänger, durch eine Karosserie-Ausstülpung realisiert werden.
Aufgrund der Größe der Heckgarage und der angeordneten Fächer gehen wir davon aus, dass dieses Modell über eine Dieselheizung verfügt. Solltet Ihr anders lautende Informationen haben, postet sie doch bitte in das Kommentarfeld am Ende des Berichts. Der Warmwasserboiler muss sich somit auf der linken hinteren Seite der Garage befinden. Für das Kochen wird dann sicherlich eine 2,7 kg Camping-Gaz-Flasche benutzt. Diese Konfiguration hat sich auch bei unserem Columbus bewährt.
Wir haben uns im Anschluss auch den 5,99 m langen Fiat Ducato „Saint & Sinner“ angeschaut. Das bereits bestellbare Fahrzeug wird in Kürze in einem separaten Bericht von uns vorgestellt.
Von außen spitze, innen nur so halb. Das Logo zu plakativ in meinen Augen und die Glastür an der Toilette ein No Go (bei der Dusche finde ich es okay, aber definitiv nicht am Klo). Könnte man evtl abkleben…
Ich würde mich wohl auch eher für was Dezenteres entscheiden
Ein sehr interessanter Artikel! Ich finde den neuen Saint and Sinner optisch sehr ansprechend, mal sehen, auf wie viele Campingplätze in Deutschland es das Modell in nächster Zeit so schafft…
Schöner Post!
LG Tim
Danke Tim
Schöner Bericht und schöner Küchenblock! Aber durchsichtiges Bad *looool*. :-)
Liebe Grüsse /Reto
Danke Reto!