Die norddeutsche Ostseeinsel Fehmarn ist seit 2014 alljährlich Siedepunkt aller Bulli-Fans. Zu „Midsummer“ trifft sich hier alles was liebevoll restauriert, knapp mit der TÜV-Plakette davongekommen oder hochglanzpoliert und teuer ist, aus der Bulli-Szene. Der kultige Transporter von VW vereint eine Fan-Gemeinde aller Schichten in ihrer Hingabe zum Lebensgefühl „Bulli“. Wir sind mit einem alten Westfalia Joker auf Retro-Tour zum Festival gefahren.
Der Tourismus-Service Fehmarn ruft und wir folgen! Nun geht unsere Rosi (ein Westfalia Columbus auf Ducato-Basis) beim besten Willen, auch in Verkleidung, nicht als Bulli durch. Also steigen wir für dieses Wochenende um und dürfen in Wedel nahe Hamburg einen 35 Jahre jungen und blauen T3 mit Namen „Hein“ übernehmen.
Nach der Anfahrt mit heftigem Gewitter auf der A7 und der letzten ausgeruhten Nacht im Columbus, statten wir an diesem Freitagmorgen bei traumhaft blauem Himmel dem „Willkomm-Höft“ in Wedel noch einen Besuch ab.
So menschenleer haben wir es vor zwei Jahren zur Auslaufparade des Hamburger Hafengeburtstages nicht erlebt.
Dann finden wir uns bei der Bullivermietung „Hansens Retro Camper“ ein.
Daniel Hofmann, genannt „Hansen“ hat sich nach dem BWL-Studium 2014 entschieden, sein eigenes „Bulli-Business“ zu gründen und widmet seine ganze Zeit dem Aufspüren und Reparieren von historischen VW-Bullis, die er anschließend vermietet.
Nach einer ausführlichen Einweisung zu Grundsätzlichem und zu den Feinheiten von „Hein“ (einem Westfalia Joker), wie zum Beispiel der tanzenden Tachonadel, wo man nur in Kombination zum eigenen Fahrgefühl interpretieren kann, ob die Geschwindigkeit gerade eher nahe 40 km/h liegt oder doch eher bei 60 ;-). Aber unser Navi warnt uns ja zum Glück immer, wenn der Fuß mal etwas zu bleiern drückt, so dass wir guten Mutes sind, nicht allzu viele Andenken Fotos auf unserem Weg gen Fehmarn zu kassieren, zumal wir mit 60 PS auch nicht wirklich zum Rennwagen taugen.
Dann stellen wir beim Umräumen mal wieder fest, dass unser Campingstandard mittlerweile doch auf recht viele Utensilien eingestellt ist und dass das „Downsizen“ und Einsortieren in ein deutlich kleineres Fahrzeug nicht mal eben schnell gemacht ist. Und so steht der Wohnraum noch voller Tüten und Taschen als wir aufbrechen, dem Bulli-Abenteuer entgegen.
Dann heißt es auf weiteren knapp 180 Kilometern das große Lenkrad mit ordentlich Muskelkraft bewegen, das dabei auftretende Schleifgeräusch ignorieren und beim Bremsen das Pedal mit aller Kraft durchtreten.
Hier ist Abstand halten überlebenswichtig! Und wir bemerken einmal mehr, dass die moderne Technik von heute es den Autofahrern erlaubt, „wie Sau zu fahren“ – Entschuldigung, aber das muss man schon in dieser Deutlichkeit sagen! Sich ohne diese Hilfsmittel fortzubewegen macht vorsichtig und demütig. Es bedingt geradezu Rücksichtnahme und stünde den heutigen Autofahrern, die sich eher benehmen wie bei einem Video-Game, auch ganz gut zu Gesicht. Oh Vorsicht, das hört sich ganz an nach „früher war alles besser“, aber ein kleines bisschen empfinden wir es so. Denn wenn das sichere Bremsen von der eigenen Muskelkraft abhängt und nicht mehr von Verstärkern, ABS, ESP und Co macht man sich einfach mehr Gedanken und fährt vorsichtiger.
Gemma ist übrigens überhaupt nicht amüsiert. Erstens ist es nicht ihre gewohnte, rollende Hündehütte. Dann ist es viel lauter, rumpeliger, riecht anders, sieht anders aus, hat weniger Platz, die Sonne knallt voll auf sie drauf und, und, und…. Sie zittert und wimmert und in der ersten halben Stunde fürchten wir schon, das Abenteuer abbrechen zu müssen, wenn sie sich nicht beruhigt. Claudia erkältet und unser Hund im Dauerstress wären das Aus für unser Bulli-Abenteuer. Aber mit viel Zureden, Streicheleinheiten während der Fahrt und überzeugenden Leckerchen kehrt irgendwann Ruhe ein.
Irgendwann sind wir auch dadurch abgelenkt, dass wir das Radio nicht ausgestellt bekommen. Nachdem jeder Knopf mehrfach gedrückt ist und unsere Bäuche schon schmerzen vor Lachen in Erwartung einer nicht abwendbaren Dauerberieselung durch unerwünschte Musik behelfen wir uns schließlich mit dem Aushängen des gesamten Bedienteils und plötzlich herrscht Ruhe, vom Motorenlärm einmal abgesehen. Und so quietschen wir guter Dinge der Insel entgegen.
Auf der Fehmarnsundbrücke haut uns der Wind fast von der Straße und ein entgegen kommender Lkw fährt auf uns zu, über den Mittelstreifen auf unsere Fahrbahn, bevor er im letzten Moment dem Geschehen noch eine andere Richtung aufzwingen kann. Die Reifenabriebe auf der Fahrbahn erzählen hier manch haarsträubende Geschichte…
Es tut gut, Wasser zu sehen, den frischen Wind durchs Fenster hineinzulassen und auf die Insel zu rollen, bevor wir auf das gut gefüllte Beachcamp an der Südstrandspromenade rollen. Schon von weitem sehen wir die gehisste Flagge im Wind.
Mit einem Einweiser kämpfen wir uns mit dem Bulli durch Ströme von Besuchern zu der für uns vorgesehenen Parklücke in Sektor D auf Wiese.
Wir stehen hier natürlich zwischen Gleichgesinnten, direkt an der Hauptflanierstrecke zwischen Anbietern von Ersatzteilen, Kederleisten, Auspuffen und anderem Zubehör.
Auch Bulli Mützen sind bei dieser heftigen frischen Brise heute stark nachgefragt.
Das bunte Treiben ist bereits seit Donnerstag im Gange und wir entern das Festival am zweiten Tag.
Nach wenigen Minuten des Flanierens zwischen Ständen und Zelten der Gewerbetreibenden befinden wir uns vis-à-vis der Bulli-Bühne zwischen Foodtrucks, Getränkeständen, der Bulli-Bar, und einem Eisbulli. Sonne, Wind, blauer Himmel, Livemusik und das alles ohne Eintritt!
Unzählige und vielfältige Bullis kann man hier und auf den anderen Parkflächen des Beachcamps bestaunen.
Viel Kurioses und Liebevolles, quirlige Ausbrüche von überbordender Kreativität, absolute Hingabe zur Originalität und eine Leichtigkeit im Sein, das quillt den Bullifahrern aus jeder Pore und weckt bei den Besuchern Sehnsucht nach diesem Lebensgefühl und sei es eben nur für einige Stunden auf diesem Event! Bei den Show- und Shinewettbewerben werden am Wochenende die schönsten und individuellsten Bullis ausgezeichnet. Dabei dürfen der am weitesten angereiste Bulli sowie der schönste Hippie-Bulli nicht fehlen. In einem 2stündigen Konvoi über die Insel werden die persönlichen Schätze Bevölkerung sowie Touristen in herrlicher Landschaft präsentiert.
Gleich um die Ecke kann man an der Promenade hinter den Dünen spazieren und mit einer Tageskarte Sand und Strand genießen, leider nur ohne Hund, so dass wir nur einen Blick durch die Strandaufgänge hindurch riskieren. In ungefähr 10 Minuten erreicht man von hier aus das Café Sorgenfrei mit grandiosem Ausblick, leider auch wieder nicht mit Hund. Der knackige Wind an dieser Spitze der Insel lässt trotz sommerlicher Temperaturen das Verlangen nach Mütze oder Kapuze aufkommen.
Nach Sättigung an den Foodtrucks und Bulli-Sightseeing lockt das Abendprogramm der Bullibühne, wo bis in den späteren Abend hinein Musik geboten wird.
Es dauert seine Zeit, bis auf dem Gelände Ruhe einkehrt und auch der letzte Fan trotz oder wegen einiger Bierchen in den Tiefschlaf fällt und von Ausfahrten durch Sonnenblumenfelder und am Meer entlang träumt. Doch bereits ab 10 Uhr am nächsten Morgen kann man sich im Festzelt am Blumen-Haarkranzbinden versuchen, liest eine Märchenfee für Kinder, gibt es täglich ein Kochevent mit einer Foodbloggerin und noch vieles mehr. Spiel- und Klettergeräte um die Ecke machen dieses Inselfest zu einem Familien-Event. Hunde sind grundsätzlich willkommen und liegen bei vielen Bullis auch vor der Tür.
Wir starten am Samstagmorgen zu einer kleinen Inseltour und machen uns an der Westküste bei frischem Wind und Wellen auf den Weg zum NABU Wasservogelreservat Wallnau.
Wegen eines heute stattfindenden Marathons wäre uns der Rückweg jedoch für viele Stunden versperrt, so dass wir den Besuch auf ein anderes mal verschieben. So rollen wir weiter Richtung Flügger Leuchtturm, den wir vom Parkplatz zu Fuß nach ca 1,5 Km erreichen.
Zwischen Kornfeldern hindurch und an Weiden vorbei genießen wir wundervolle Ausblicke. Wir schauen auch noch am Flügger Strand vorbei.
Heute geht eine schöne Brandung und die Kite- und Windsurfer flitzen bei besten Bedingungen vor dem „Kleiderbügel“, dem Wahrzeichen von Fehmarn hin und her.
Diesen Weg kann man auch auf „besondere Art“ oder elektrisch zurücklegen. Doch als der Fuhrpark endlich vor der beheimateten Scheune augenfällig dargeboten wird, befinden wir uns längst per pedes auf dem Rückweg.
Wir sind vor 16 Jahren das letzte mal mit einem Zelt auf Fehmarn gewesen, und merken heute, dass es Zeit wurde zurückzukehren. Das Inselgefühl schnappt uns voll und ganz und wir werden bald wiederkommen. Jetzt müssen wir Claudias starker Erkältung Tribut zollen und verabschieden uns für den Moment.
Das „Bulligefühl“ werden wir so bald nicht mehr vergessen! Wir stellen fest: Jeder T3 Bulli-Fahrer winkt uns hier freundlich zu. So tun wir es auch und fühlen uns in einer freundlichen Gemeinschaft aufgenommen. Auch lässt es uns um so mehr schätzen, welchen Platz wir in unserem Westfalia Columbus genießen dürfen oder dass wir eine fest verbaute Toilette haben und kein Bett umbauen müssen. Unser Stauraum ist gigantisch im Vergleich. Dafür ist das Lebensgefühl, dass der Bulli transportiert einfach einzigartig. Jeder, der das Abenteuer, und sei es auch nur für kurze Zeit, genießen durfte, erinnert sich sein Leben lang daran!
Ein super Sommer-Event auf Fehmarn für die ganze Familie – wir kommen wieder!
Weiterführende Links
Midsummer Bullifestival Fehmarn