Der heutige Tag startet mit einem wilden Mix aus wenig Sonne, kräftigem Wind und häufigen Schauern. Im sanft schaukelnden Campingbus zelebrieren wir ein gemütliches Frühstück in “slow-motion”, gucken große Schiffe, schnacken beim Frühstücks-Kaffee und sinnieren mal wieder über die “Wohnmobilerei”. Heute ist so ein “Jogginghosen-Tag”. Innerlich und äußerlich sind wir heute bedürfnisorientiert statt planerfüllend ausgelegt.
Dem disziplinierten Muskeltraining beim Kieser Training in Kiel zeigen wir darum innerlich die rote Karte und geben statt dessen dem Navi den seit März 2015 neuen Stellplatz am Noor in Eckernförde zu futtern. Mit schöner Musik und lautem Platzregen legen wir die knapp 35 Kilometer beschwingt zurück und steuern einem baldigen Bordküchen-Menü entgegen, denn der Mittagshunger beginnt bereits die Eckzähne zu wetzen. Noch sind wir guten Glaubens, dass wir trainierten Camping-Hasen den Stellplatz fix entern, in aller Kürze unseren randvollen Abwassertank leeren, Frischwasser bunkern und dann genussvoll, vor den sich im Wind wiegenden Wipfeln, tafeln werden.
Weit gefehlt! Es beginnt damit, dass zwei norwegische teilintegrierte Camper mit laufenden Motoren, geöffneten Fenstern und unbemannten Fahrzeugen die Einfahrt zur Gänze belegen und wir deswegen auf der Zufahrtsstraße erst mal zum Verkehrshindernis mutieren. (Ja haben die denn nicht unsere Artikel-Serie über Sicherheit im Wohnmobil gelesen? Der nächste Dieb lauert doch wahrscheinlich hinter der Blumenrabatte! )
Mit Bargeld ausgestattet begibt sich zunächst eine UMIWO-Hälfte direkt an den Ort des Geschehens, den Kassenautomaten. Davor findet sich eine wuselige Ansammlung aus Norwegern und radebrechenden Deutschen mit Ansätzen von englischen Wortanwandlungen. Es gibt DIN-A4-seitenlange Aushänge in lupenbedürftiger Größe und nach minutenlangem, optischem Studium der Gerätausstattung aus zweiter Reihe zumindest die Erkenntnis, dass “dat Dingens” kein Bargeld futtert. Ein Schacht für EC/ Kreditkarte, und einer zum Auswurf/ Einzug der “Servicekarte” erfordert zunächst den Gang zurück zum Wagen, um mit Plastikgeld versehen den nächsten Versuch zu starten.
Nachdem die Norweger mit Servicekarten versorgt und ratlosen Gesichtern endlich den Automaten freigeben und die Schranke passieren, geht’s nun uns beiden an den Intelligenzkragen.
Irgendwas zwischen 5 und 10 Minuten erfordert die Erfassung der Informationen vom Display, der ungenügende Abgleich mit dem schriftlichen Aushang in Mikro-Schrift, sowie die Auswertung und Diskussion des Ganzen, bis auch wir schließlich über eine Servicekarte zum Öffnen der Schranke verfügen.
Die windumtoste V/E-Station wiederum verlangt unser Hartgeld, bevor wir uns auf Rasengittern häuslich einrichten und die Vorräte aus der Kühlbox in ein Mittagessen verwandeln.
Nach dem die Laune dank Kalorien wieder in gesellschaftsfähige Form gebracht wurde, starten wir zur Platzbesichtigung. Die Keycard im Gepäck schultern wir den Reisemüll und schlendern zum Sanitärgebäude.
Auf dessen Rückseite dümpeln wir ein wenig an verschlossenen Metalltüren herum, die laut Beschilderung zur Müllentsorgung einladen, uns jedoch nicht hereinlassen.
Minuten dauert es, bis wir schon im frustrierten Fortgehen den unscheinbaren, kleinen, grauen Kasten bemerken, der nur darauf wartet, dass wir ihm die Keycard vor den Latz halten.
So langsam zweifeln wir an unserer Auffassungsgabe. Ob beim letzten, heißen Wochenende doch zu viele Hirnzellen in der köchelnden Kopfsuppe ihr Ende gefunden haben?
Drinnen bietet sich ein bekanntes Bild: übervolle Müllcontainer, ganz kurz davor die schlechteste Seite eines Campers zum Vorschein zu bringen – den “Danebensteller”. Denn neben der Toilettenleerung ist das Loswerden des Hausmülls eines der vordringlichsten Bedürfnisse von Campern.
Auf der Vorderseite haben wir das Prinzip endlich verinnerlicht und finden leichten Zugang zum ersten Dusch- und Toilettenraum. Auf der Eingangstür ist ein Phantasiewesen in buntem Gewand abgebildet, irgendwas zwischen Fuchs und Eichhörnchen. Jedenfalls drängt sich uns keine spontane Unterscheidung der Geschlechtergruppen auf, so dass wir annehmen, es mit Unisex-Sanitärräumen zu tun zu haben. Diese Annahme hält für genau 3 Meter, dann führt ein Stehurinal an der Wand zu einer hälftigen, hastigen Flucht. Die andere Hälfte schreitet zum Praxistest.
Die Ausstattung der Duschen und Toiletten ist auf gehobenen Standard ansprechend und zweckmäßig.
Ergänzend findet sich noch ein Küchen- und Waschraum mit Backofen, der für 0,50 EURO je 30 Minuten den Kuchen für einen backt. Wäsche wird für je 2 EURO erst sauber und dann trocken. Und sogar ein Geschirrspüler kann gemietet werden. An der rechten Stirnseite schließlich gibt es noch einen Raum mit Hundedusche.
Bei der Ausstattung kann sich so manch in die Jahre gekommener Campingplatz noch eine Scheibe abschneiden! Das ganze gibt es für 12 EURO pro Nacht bei 2 Personen, zuzüglich Kurtaxe von 2 EURO pro Person und Tag. Duschen, Toiletten, Müll und Entsorgung sind inbegriffen. Alles übrige kostet extra.
Wir trauen uns, dem Kassenautomaten noch einen Besuch abzustatten. Jetzt haben wir ja schon ein wenig Energie aus dem Mittagessen gezogen und können vielleicht klarer sehen. Erschreckenderweise gewinnen wir die Erkenntnis, dass offensichtlich der Automat nicht nur die Servicekarte ausspuckt, sondern an einer unauffälligen Stelle rechter Hand, weiter untern, auch diverses Zettelwerk und eine Quittung in ein schwach beleuchtetes Schlafabteil hinter Plexiglas ausgibt. Das haben wir vorhin nicht mitbekommen und haben jetzt nix zum “gut-sichtbar-hinter-die-Scheibe” legen.
Vom Platz wird man uns schon nicht jagen, denn wer die Schranke mit einem Fahrzeug passiert hat, hat ja bereits sein Plastikgeld hergegeben. Blöd nur, dass man auf der Quittung das Passwort für das kostenlose W-Lan “Womo-Ecki” erhält. Und das fehlt uns nun. Wir rufen die Servicenummer der Stadtwerke Eckernförde an, die den Platz betreibt. Man sagt uns den kurzfristigen Besuch eines Mitarbeiters zu.
Und so steht kurze Zeit später Herr Rohweder, ein sympathisch norddeutsches Original und Elektromeister bei den Stadtwerken, vor unserem Mobil und während wir so schnacken und er Anekdote um Anekdote über die Unwägbarkeiten dieses technischen Kleinkunstwerks eines Kassenautomaten aus Dänemark vor uns ausbreitet, holen wir ihn wegen der heftigen Regenschauer schließlich auf den Beifahrersitz und verbringen gemeinsam eine vergnügliche Weile, bevor wir ihn mit einem Schokoriegel in den restlichen Bereitschaftsdienst entlassen. Alles wiederzugeben würde einen eigenen Blog erfordern. Als Fazit können wir festhalten, dass die Schar derer, die entweder von der “dänischen Zugangskontrolle” abgeschreckt werden oder an ihr scheitern, riesig ist. Es gibt kein Handbuch, oder wenn nur auf Dänisch. Es gibt bei der Anbieterfirma nur einen bestimmten Mitarbeiter, der sich mit der Programmierung auskennt, der sei jedoch zurzeit krank. Zum Glück haben sie hier einen jüngeren Kollegen, den sie immer als Dolmetscher missbrauchen können. Der meist gesagte Satz lautet:” Das muss noch programmiert werden.” Teilweise stehen sie persönlich am Automaten und weisen die Reisenden in die Anwendung ein. Weil Bargeldautomaten stets aufgebrochen würden (auch in Eckernförde ist’s nix mit kleinstädtischer Idylle ohne Langfinger), wollten die Vorgesetzten unbedingt eine Lösung mit Plastikgeld…….
Bei den Comic-Figuren, die die Beschilderung an den Servicetüren zieren, handelt es sich um “Ecki”, das Wahrzeichen/ Maskottchen von Eckernförde.
Es ist bereichernd, mal die andere Seite zu hören, die Probleme und Grenzen eines Stellplatzanbieters. Es wird dennoch deutlich, dass auch eine Befragung in ganz Norddeutschland offensichtlich keine einfache und benutzerfreundliche Lösung erbracht hat.
Wir haben versprochen, Kritik und Anregungen im aufgestellten Kummerkasten zu hinterlassen.
Unser Pulver haben wir für heute verschossen und schaffen es gerade noch, zwischen zwei Schauern die paar Meter zum Sky-Markt zu bewältigen, bevor wir in Jogginghosen in den Abend hineingämmeln.
Wir beschließen, eine weitere Nacht zu bleiben und so am darauffolgenden Tag unser Stellplatzdiplom abzulegen und zu “Dr. Camping” zu werden, denn die Servicekarte kann nicht verlängert werden. Man muss zunächst das nicht verbrauchte Guthaben (das man für Strom, Waschmaschine, etc. nicht verbraucht hat), abrechnen, dann eine komplett neue Einbuchung vornehmen, mit Kennzeichen und Heimatplaneten, für eine neue Karte und …..trallalallala, etc.… Das ganze bis 15 Uhr, sonst läuft die Karte ab und man kann nicht mehr durch die Schranke ausfahren (für immer gefangen auf dem SP am Noor). Schlau, wer beim Einchecken genau weiß, wie lang er zu bleiben gedenkt.
Am nächsten Mittag hat das Pfannengericht gerade den notwendigen Gar-Grad erreicht um verspeist zu werden und wartet nur noch auf eine abschließende Würzung, als unserer kleine 2,75 Kilo Campinggaz-Flasche, die den Herd antreibt, nach genau 9 Monaten die Puste ausgeht und die Flamme für immer erlischt – Mahlzeit!
Kurz vor Krimi gehen wir tatsächlich erst gegen 14.40 Uhr zum Automaten und treffen dort auf drei Herren, die gerade versuchen, der Technik ihren Willen aufzuzwingen. (Die Uhr läuft Jungs, macht mal hin!) Um 14.50 Uhr spulen wir dann unser frisch erworbenes Wissen ab und erhalten das erwähnte „Zettel-Diplom“! Geschafft!!
Als wir dann unsere Gasflasche im Rucksack schultern, um 1,3 Km zum nächsten Hagebaumarkt zu wandern, hat eine fesche Dame mit Teilintegriertem gerade dem Metallschild Folge geleistet, ist durch die Schranke aus dem Stellplatzbereich hinausgefahren, hat halbwegs seitig angehalten und schreitet nun zur „Abrechnung“ an den Automaten. Derweil hält ein offener Pritschenwagen mit Gartengerät und Gärtnern gefüllt auf der anderen Seite der Schranke und beobachtet interessiert, das Vorgehen der Dame. Fröhlich feixend rufen sie „unten! unten!“ herüber, als die Dame vergeblich versucht, die Servicekarte dem Kreditkartenschlitz anzuvertrauen.
Wir sind versucht, die versteckte Kamera zu suchen. So viel humoristisches Potential und das ganz ohne Lockvogel, sollte nicht ungenutzt verpuffen :-)
Hallo Volker,
also ich muss sagen, dass wir sehr positive Erfahrungen mit dem Stellplatz in Eckernförde gemacht haben. Der Automat war kein Problem, ganz im Gegenteil, ermöglicht er doch komfortables Einchecken rund um die Uhr. Die Sanitäreinrichtungen und die Küche sind in außerordentlich gutem Zustand, eigentlich luxuriös, wie wir meinen. Ich würde den Platz jederzeit gerne an alle Womo-Fahrer/innen weiterempfehlen und habe bei unserem Blog eben einen positiven Teststeckbrief verfasst:
http://www.womi-on-tour.de/stellplaetze/eckernfoerde/
Ich habe die Fotos nochmal durchgesehen, sie haben aber tatsächlich an die Toilettentür „Herren“ noch darunter geschrieben :-)
Viele Grüße
Björn
Hallo Björn, ich habe auf Deinen 1. Kommentar bereits geantwortet. Das mit der Zusatzbeschriftung der Herren-Dusche/WC ist ja witzig. Vielleicht hat sich da ja frau mal vertan und ist dort eingedrungen? :) Daher wohl das Zusatzschild. VG Volker
Hallo Volker,
nett geschriebener Artikel, aber die Aussagen kann ich absolut nicht bestätigen. Wir waren im Januar am Stellplatz in Eckernförde und es hat alles perfekt geklappt. Der Automat war in Ordnung und die Quittung bzw. den Parkabschnitt mitzunehmen haben wir doch schon an jedem Parkscheinautomat gelernt oder? :-) Der Platz ist aus meiner Sicht absolut empfehlenswert, self-check-in am Automat komfortabel rund um die Uhr, herausragende Sanitäranlage und Sozialraum mit riesiger Einbauküche, wer es denn benötigt. Die Türen für die Mülltonnen gehen genauso mit Kartenleser auf wie die Türen vorne zu den Waschräumen.
Viele Grüße !
Björn
Hallo Björn, danke für das Lob. Wir haben gar nichts gegen den Platz, im Gegenteil, sondern zeigen doch hier auf, dass wir zu diesem Tag und Stunden unterdurchschnittlich intelligent an die Sache mit dem Automaten rangegangen sind. VG Volker
Pingback: Jetzt als Podcast: „Das Stellplatz Diplom Eckernförde“ | UMIWO – unterwegs mit dem wohnmobil
Ich selbst war auch ein paar Tage auf dem Stellplatz und hatte keinerlei Probleme. Mann muss halt einfach richtg Lesen können. Ansonsten sehr schöner Bericht Volker :)
Wir lesen sehr gerne euere Reiseberichte und sind dadurch noch mehr mit dem Womo Virus infiziert !
Viele Grüße Lisa und Michael
Liebe Lisa und Michael,
wir hoffen, dass das Fieber noch lange anhält! :) LG Volker
Pingback: Eis und Heiß an der Ostsee und kreatives Entsorgen | UMIWO – unterwegs mit dem wohnmobil
Prima geschrieben. ..ist schon peinlich zu bekennen das es uns vor 1 Woche auch so ging…ratlose Gesichter bis hin zur Verzweiflung. …
Danke Pauline, immer versuchen vieles mit Humor nehmen, dann sieht die Welt nicht mehr so schlimm aus. Dieses Kassen-System war es wert, darüber zu berichten. :)
Es gibt also auch andere Kieserfans unter Womoleuten! Gruß aus Filderstadt
Ja Riitta, Kieser Training gehört für uns immer dazu. Wie Zähne putzen. Ist ja mit dem Reisen deutschlandweit überall möglich. Grüsse heute aus Eckernförde zurück. :)
Hallo Volker. Hast nen guten Schreibstil. Interessanter Bericht, sehr locker rüber gebracht. Campen kann sooooo einfach sein. :-) :-)
super Bericht, selbst für uns als alte Camper stellen die verschiedenen Abrechnungsmethoden doch immer wieder vor ‚interessante‘ Aufgaben
Danke Ulf. :)
Hallo Volker, klasse geschrieben, so richtig aus dem wahren Leben. Gruß Ulli